K-Pop im geteilten Korea: Waffe, Teufelszeug, Lockmittel und manchmal gar diplomatische Softpower
popkultur27.10.25
K-Pop ist neben Filmen, Serien, Smartphones und Autos das vielleicht bekannteste Exportgut Koreas. Wobei dieser Satz recht ungenau ist: Denn eigentlich sind all diese Dinge Exportgüter Südkoreas. Den vergleichsweise bitterarmen, „sozialistischen Einparteienstaat“ Nordkorea (der im Grunde eine Diktatur ist) vergisst man hierzulande gerne – obwohl seine Nähe, seine radikale Politik und die gemeinsame Geschichte beider Staaten das Leben in Südkorea tagtäglich prägen. Auch K-Pop spielt dabei immer wieder eine wichtige Rolle.
Die historischen Basics
Grundsätzlich sollte man wissen, dass Korea seit Jahr 1948 ein geteiltes Land ist. Während sich Südkorea Ende der 80er von einer Militärdiktatur zu einer Demokratie entwickelte, heißt Nordkorea zwar offiziell Demokratische Volksrepublik Korea, ist aber eine lupenreine Diktatur – installiert von Kim Il-sung, dann geführt von dessen Sohn Kim Jong-il und inzwischen von Kim Jong-un. Beide Staaten verstehen sich als einzige legitime Vertretung des koreanischen Volkes, pflegen kaum diplomatische Beziehungen miteinander und stehen seit Jahren in einer Art kaltem Krieg zueinander. Kim Jong-un, der bis auf gute Beziehungen zu Russland und China größtenteils isoliert dasteht, bezeichnet das westlich ausgerichtete Südkorea gerade als „Hauptfeind“.
K-Pop in diplomatischer Mission
Das war jedoch nicht immer so. Vor ungefähr siebeneinhalb Jahren sah es mal kurz so aus, als wäre eine Annäherung zwischen den beiden Staaten möglich. Das lag vor allem an der Politik des liberalen Moon Jae-in, der 2017 Südkoreas Präsident wurde und ankündigte, eine Aussöhnung mit dem verfeindeten Nachbarstaat anzustreben. Auch die in Fachkreisen sogenannte „Soft Power“, die oft einen kulturellen Austausch meint, war Teil der Bemühungen. Anfang April 2018 schickte Südkorea deshalb eine 120-köpfige Delegation über die Grenze, um in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang zwei Konzerte unter dem Motto „Der Frühling kommt“ zu veranstalten.
K-Pop-Begeisterung und -Verbot
Am ersten Abend war sogar Kim Jong-un mitsamt seiner Frau Sol Ju – eine ehemalige Sängerin – vor Ort und sah unter anderem Auftritte der erfolgreichen Girlgroup Red Velvet. Kim Jong-un ließ danach erstaunlicherweise über die staatliche Nachrichtenagentur verlauten, er habe eine „tiefe Dankbarkeit“ verspürt. Die zweistündige Show habe „das Verständnis für die südkoreanische Populärkultur vertieft“.
Dabei muss man wissen, dass K-Pop – ebenso wie K-Dramen, Literatur und Filme aus Südkorea – nach der offiziellen Staatslinie Teufelszeug des Feindes sind. Was vielleicht auch erklärt, warum das Publikum der Konzerte mit steinerner Miene applaudierte. In Nordkorea ist es damals wie heute streng verboten, K-Pop zu hören – weil diese Musik einen schädlichen Einfluss auf die Ideologie des Landes habe. Die Verbreitung südkoreanischer Kultur gilt deshalb als Bedrohung des Regimes. Trotzdem hört man immer wieder Berichte, dass junge Menschen über USB-Sticks eingeschmuggelte K-Pop-Songs hören. Die Strafen, wenn man erwischt wird, reichen dabei bis hin zu Gefängnis und Arbeitslager.
Das hätte sich durch eine politische Annäherung ändern können, aber die blieb leider aus. Außer einem weiteren Treffen der Staatsoberhäupter gab es keine Verbesserungen. In den letzten Jahren wurde die Situation dann eher schlimmer: Nordkorea forcierte sein Atomprogramm, hielt Raketentests ab und nutzte Aktionen von südkoreanischen Aktivist:innen und nordkoreanischen Exilant:innen im Grenzgebiet als Vorwand, um die bilateralen Gespräche zu kippen und weitere Drohungen folgen zu lassen.
K-Pop als Lockruf an der Grenze
Nach Abbruch der Gespräche wurde auf Seiten Südkoreas wieder eine langjährige Praxis eingeführt, die erstaunlicherweise erst vor einigen Monaten beendet wurde. Auch hier spielt K-Pop eine wichtige Rolle: Schon 2016 wurden – nach einem provozierenden Nukleartest in Nordkorea – riesige Lautsprecher an der Grenze zu Nordkorea aufgebaut. Sie sendeten in ohrenbetäubender Lautstärke Propaganda-Sendungen mit Informationen über Kim Jong-un und seine Machenschaften und mischten diese mit gängigen K-Pop-Hits – zum Beispiel von den damals größten K-Pop-Stars Big Bang. Auch nach dem Scheitern der bilateralen Gespräche kamen die Boxen wieder zum Einsatz. Laut der südkoreanischen Regierung wurde diese Praxis erst Anfang August dieses Jahres beendet. Was Kim Jong-uns im System ebenfalls sehr mächtige Schwester Kim Yo-jong offen dementiert.
Trotz aller Strafen scheint es jedoch unter den Nordkoreaner:innen weiterhin ein großes Interesse an K-Pop zu geben. Das bestätigten zum Beispiel auch die aus Nordkorea stammenden Idols Kim Seok und Yu Hyuk, die Teil der Boygroup 1Verse sind (die wir euch hier schon mal vorgestellt haben). Der heute 24-jährige Kim Seok zum Beispiel lebte recht nah an der chinesischen Grenze, wo es durchaus Wege gab, auf USB-Sticks und SD-Cards ins Land geschmuggelte K-Dramen zu sehen und K-Pop zu hören. 2019 flüchtete er. Wie und mit wem, verrät er nicht, weil er Angst um den Teil seiner Familie hat, der in Nordkorea geblieben ist.
Der Konflikt als Bremse einer jeden K-Pop-Karriere
Den vielleicht größten Impact auf K-Pop-Karrieren hat jedoch der Konflikt selbst: Er ist nämlich der Hauptgrund, warum Südkorea junge Männer fast ausnahmslos zu einem zweijährigen Militärdienst verpflichtet – vor dem sich auch Member von BTS, Seventeen, NCT und vielen anderen sehr erfolgreichen K-Pop-Boygroups nicht drücken können und wollen.